Es gibt vermutlich reichlich Stoff zum Nachdenken darüber, was Franz Kafkas 1917 erschienene Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ und Samuel Becketts „Das letzte Band“ (1958) verbindet oder auch nicht. Besonders ausgiebig lässt sich über dieses Thema aktuell nach einem Besuch im Hamakom Theater rätseln. Unter dem Titel „Man sage nicht, es wäre der Mühe nicht wert gewesen“ hat Frederic Lion, Regisseur und Leiter des Hamakom Theaters, beide Stücke zu einem Theaterabend zusammengefügt. Auffällig ist, dass es sich mit dem Affentum so ähnlich zu verhalten scheint wie mit dem Menschentum – hier wie dort können Worte den verblassten Erinnerungen nicht mehr gerecht werden. Wer die Stücke des irischen Dramatikers Samuel Beckett kennt, der weiß Worte verwandeln sich bei ihm nur allzu oft in leere bedeutungslose Hülsen und auch für Franz Kafkas Figuren versagt letztendlich die Sprache regelmäßig als Mittel der Kommunikation.

„Ein Bericht für eine Akademie“

„Ihr Affentum, meine Herren, sofern Sie etwas derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine“, lässt Franz Kafka seine Schöpfung in der Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ sagen. Statt, wie von der Akademie dazu aufgefordert, von seinen Erfahrungen aus seinem früheren Affenleben zu berichten (hierfür bekennt er, verfüge er nicht über die passende Sprache), spricht der zum Mensch gewordene Rotpeter lieber von seinem Entwicklungsprozess zum Homo Sapiens. Ein Prozess, der nach seiner Gefangennahme mit der Nachahmung diverser Verhaltensmuster auf der Überfahrt von Afrika nach Hamburg beginnt. Vor die Wahl Zoo oder Varietè gestellt, setzt dieser alles daran zum Varietè zu gelangen. Damit begibt er sich in die Fußstapfen des Affen Peters (einem zu Kafkas Zeiten bekannten Zirkus-und-Varité-Affen), nach dem Rotpeter – wie es im Text heißt – benannt wurde. Ein Verweis nicht zuletzt auch auf das damals bekannte Lexikon „Brehms Tierleben“, das ein Bild von jenem Affen zeigt und das Kafka für seine Beschreibungen von Gefangennahme, Seetransport sowie Rotpeters Varietétagen als Quelle gedient haben soll. Als literarisches Vorbild könnte man E. T. A. Hoffmanns weintrinkenden und pfeifenrauchenden Affen aus „Nachrichten von einem gebildeten jungen Mann“ nennen. In der Literaturgeschichte ein bekanntes Motiv: das vermenschlichte, sprechende Tier, das ähnlich dem Hofnarren der Menschheit den Spiegel vorhält und so schlussendlich zum eigentlich Wissenden wird. Deutlich lässt sich diese Spiegelmetapher mittels Raumausstattung (Andreas Braito) in Szene gesetzt auf der Bühne des Hamakom erkennen. Zu Beginn sitzt Schauspieler Michael Gruner dem Publikum mit den Rücken zugewandt, Bilder aus einem King Kong Film, die über eine Spiegelleinwand laufen, verfolgend. Später spiegelt sich das Publikum selbst darin. Gruner ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Zuseherraum zu sitzen gekommen und winkt. Nicht der einzige amüsante Einschub. Im Vergleich zu anderen Inszenierungen spielt Gruner Rotpeter mit der Abgeklärtheit des Alters mit einem oftmals ironisch wissenden Unterton – im Gegensatz zum energisch agierenden, wütenden Ankläger. Leichtfüßig tritt er trotz Stock am Ende von der Bühne um im zweiten Stück umso gebrechlicher (ohne Stock) wiederzukommen.

 „Das letzte Band“

Als alter Mann holt er – passend zum ersten Teil des Abends – ein paar Bananen aus der Lade seines Schreibtisches. Am Tisch hat er sich eingefunden, um sich alte Aufnahmen anzuhören. Aufnahmen, die aus seinem früheren Leben stammen. Immer wieder spult er jenes Tonband zurück, das er im 39. Jahr seines Lebens aufgenommen hat. Der Grund dafür – eine Liebesgeschichte. Verbittert kommentiert er das damals Erlebte. „Hörte mir soeben den albernen Idioten an, für den ich mich vor 30 Jahren hielt.“ Doch die Zeiten von damals sind vorüber, der Mann ist sich selbst entfremdet. Neue Erinnerungen zu erzeugen, dazu scheint er nicht mehr in der Lage; die Jahre „in denen noch Aussicht auf Glück bestand“ sind vorüber und so dreht sich alles bis zur Sinnentleerung im Kreis. Die Worte verhallen losgekoppelt vom Leben im Raum bis nichts mehr bleibt als der Tod.

Man sage nicht, es wäre der Mühe nicht wert gewesen
Ein Bericht für eine Akademie
Franz Kafka / Das letzte Band Samuel Beckett
Noch von 22.-25. März 2017, 20.00 Uhr
Theater Nestroyhof – Hamakom
Nestroyplatz 1
1020 Wien
www.hamakom.at

© Fotos: Günter Eder, Nathan Spasic

Geschrieben von Sandra Schäfer