Niemals in der Geschichte der Menschheit schien das Leben komplexer, noch nie verfügten Individuen über derart ausgebaute Netzwerke wie heute. Facebook, Twitter, WhatsApp: zahlreich sind die Mittel, mit denen der Einzelne mit anderen rund um den Globus in Verbindung treten kann. Gleichzeitig ist unsere Skepsis dem Anderen gegenüber groß. Der Mensch ist eben ein ängstliches Tier. Doch manchmal, wenn die Neugierde über die Angst oder das bloße Desinteresse siegt, dann findet man sich mitunter in der Performance eines Illusionisten wieder. Ist es Theaterspiel? Ist es die Show eines Tricksters? Viel ist darüber in den – vornehmlich englischen Medien – spekuliert worden. Seit Mai kann sich auch das österreichische Publikum im Rahmen des – erstmals in London beim Vault Festival aufgeführten Stücks – von den Gedankenlesetricks des Schauspielers und Illusionisten Philipp Oberlohr überzeugen.

Alles was man dafür braucht, ist – nebst eines Tickets – Vertrauen. In diesem Punkt unterscheidet sich der Besuch der irgendwo zwischen Improtheater und unkonventioneller Zaubershow angesiedelten Vorstellung wenig von einem herkömmlichen Theaterbesuch. Allerdings kann es einem im Rahmen von „das Spiel“ durchaus passieren, dass man sich plötzlich auf der Bühne wiederfindet und zum vermeidlichen „Mittäter“ wird. Was wäre eine Show, die auf die Mittel der Illusion setzt, ohne das Gefühl mit leichtem Magenkribbeln eine Reise in das Unbekannte anzutreten?

Vertrauen Sie mir

„Vertrauen Sie mir“ fordert Philipp Oberlohr zu Beginn sein Publikum auf. Etwas, das man durchaus tun sollte, denn es gibt – vertrauen Sie mir – wenig zu fürchten. Der studierte Theologe und im Körpertheater ausgebildete Schauspieler wirkt sympathisch, wenn er bloßfüßig und energiegeladen über den Holzboden in der Galerie „die Schöne“ auf- und abwandert. Auf der Bühne ist nichts zu sehen, was einen an einen Abend mit Magic so und so denken lässt. Keine billig wirkenden Samtstoffe, keine in schwarze Lederhosen gesteckte Männerbeine oder gar gezähmte Tiere, die einen als Kind vom fahlen Vereinslokal bis in den Glitzertempel von Las Vegas das Gruseln lehrten. Eine Trendwende hin zum modernen Illusionistentum, das auch schon das Fernsehen mit der amerikanischen Erfolgsserie „The Mentalist“ eroberte. Fans wissen heute: es gibt wenig Unheimliches zwischen Himmel und Erde, abgesehen vom menschlichen Irrsinn. Für den kann natürlich auch Oberlohr keine Garantie übernehmen.

Aber mit der Welt des Mentalisten hat der junge Künstler – abgesehen von einer gewissen Portion Charisma – ohnehin nichts gemein. Während der fiktive amerikanische Kollege Patrik Jane darum bemüht ist, die Wahrheit herauszufinden, geht es dem gebürtigen Tiroler vielmehr darum, dem Publikum das Zweifeln zu lehren. Inspirieren ließ sich Oberlohr für sein Programm u.a. von dem amerikanischen Film „The Game“, in dem Michael Douglas bekanntermaßen langsam der Boden der Realität entzogen wird. Und auch wenn vermutlich niemand nach dem Besuch von „Das Spiel“ beginnt sein Leben in Frage zu stellen, Unsicherheiten über etwaige Beteiligungen diverser Ehemänner, Schwestern oder sonstiger Begleiter soll es laut Oberlohr schon gegeben haben.

Und damit wären wir erneut beim Vertrauen und beim Netzwerken. Beides lässt sich besonders gut nach der Vorstellung gewinnen beziehungsweise bewerkstelligen, wenn man miteinander ins Gespräch kommt und sich davon überzeugen kann, dass die Dame im roten Kleid, die als erste auf die Bühne geholt wurde, wirklich von nichts wusste. Schüchtern wird sich vorgestellt, nach dem Grund des Besuchs gefragt und diverse Theorien ausgetauscht. Doch Oberlohr wäre kein echter Illusionist, ließe er sich in die Karten schauen und so werden auch Kulturfüchsinnen und deren Begleiter vermutlich nie eine Antwort auf die Frage bekommen: Wie funktioniert das Ding mit dem Kuvert? Wo bliebe sonst der Zauber?

Das Spiel.
Von und mit Philipp Oberlohr.
Wideraufnahme Oktober 2016 in der Galerie „die Schöne“
Kuffnergasse 7
1160 Wien
https://www.facebook.com/dieschoene.at/
http://www.philippoberlohr.com/

@Szenen-Fotos: David Bitzan

Geschrieben von Sandra Schäfer